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    Glossar

    Unterjährige Sabbaticals

    • Illustration

      Vincent Brod

    Wie können sich Beschäftigte nach Phasen mit erhöhter Arbeitsbelastung am besten erholen? Das Erprobungsfeld „Unterjährige Sabbaticals mit Gleitzeitkonten oder Jahresarbeitszeiten“ könnte Forschungsreinrichtungen dafür interessante Erkenntnisse liefern.

    Wissenschaftler:innen sind häufiger besonders ausgedehnten und intensiven Projekt- bzw. Arbeitsphasen ausgesetzt, die eine erhebliche mentale und zeitliche Hingabe erfordern. In der Arbeitsforschung gibt es Hinweise darauf, dass in solchen Phasen Ermüdungserscheinungen auftreten und sich über die Zeit noch verstärken – dadurch ist die Gesundheit langfristig gefährdet. Im Rahmen des Erprobungsfeldes zu unterjährigen Sabbaticals hätten betroffene Beschäftigte die Möglichkeit, sich über einen längeren Zeitraum davon zu erholen, vorgesehen sind sechs bis zwölf Wochen. Es geht dabei nicht um ein Modell der unbezahlten Freistellung, des Sonderurlaubs oder des Lohnverzichts, sondern um ein Modell, bei dem „angesparte“ Arbeitszeit oder eine definierte Jahresarbeitszeit bei vollen Bezügen und unter Fortführung der Sozial- und Krankenversicherung über eine mehrwöchige Freistellung unterjährig ausgeglichen werden. Generell bieten solche Sabbaticals die Möglichkeit, privaten und wissenschaftlichen Interessen nachzugehen, z. B. zur Erholung, für ausgedehntere Familienphasen, einer Weiterbildung oder zur beruflichen (Neu-)Orientierung. Auf diese Weise lässt sich die Arbeitsmotivation und Kreativität wiederbeleben, Außerdem erhöhen Sabbaticals die Attraktivität des Arbeitgebers, wie Befragungen zeigen. Demnach wünschen sich etwa 50 Prozent der Beschäftigten im öffentlichen Dienst und rund 88 Prozent in der freien Wirtschaft diese Form des Ausgleichs.

    Die bisher existierenden Möglichkeiten eines Sabbaticals (unbezahlter Sonderurlaub, Langzeitarbeitskonten und Teilzeitmodelle) reichen bei den in der Machbarkeitsstudie beteiligten außeruniversitären Forschungseinrichtungen indes nicht aus, um den hier formulierten Bedarf zu erfüllen.

    Erkenntnisinteressen

    • Organisatorisch und finanziell umsetzbares (Anspar-)Modell, das eine Freistellung für einen Zeitraum von 6 bis 12 Wochen ermöglicht

    • Aus gesundheitlicher Sicht empfehlenswerte Arbeitsintensitäten in den Ansparzeiten

    • Erreichbare positive Effekte (Erholung, Steigerung der Kreativität und Motivation) während des Sabbaticals

    • Auswirkungen von Kurzzeit-Sabbaticals auf die Projektbearbeitung und Ressourcenplanung

    Welche Grenzen sind bisher bekannt?

    Arbeitsrechtliche Grenzen
    • Ansparen eines Arbeitszeitguthabens: Die europäische Arbeitszeitrichtlinie bzw. das Arbeitszeitgesetz geben vor, dass die maximale Arbeitszeit pro Tag zehn Stunden beträgt, diese muss aber in einem Zeitraum von 24 Wochen auf die durchschnittliche wöchentliche Höchstarbeitszeit von 48 Stunden ausgeglichen werden – diese Berechnung umfasst bereits Samstage.
    • Die Einrichtung und Führung von Langzeitkonten gem. § 10 TVöD verursacht einen hohen Verwaltungsaufwand.
    • Betrieb und Beschäftigte müssen nach dem Flexi-II-Gesetz eine schriftliche Wertguthabenvereinbarung abschließen. Deren Ziel darf nicht die flexible Gestaltung der täglichen und wöchentlichen Arbeitszeiten oder der Ausgleich von Produktionsschwankungen sein. Das Wertguthaben ist die Voraussetzung für das Vorliegen von Langzeitkonten.
    Technische Grenzen

    Nicht bekannt

    Prozessuale Grenzen

    Um (unterjährige) Sabbaticals anbieten zu können, sind eine Reihe mitbestimmungspflichtiger Aspekte zu diskutieren und zu klären:

    • Gegebenenfalls sind (arbeits-)vertragliche Regelungen erforderlich.
    • Wie ist mit freiwilligen Leistungen (z. B. betriebliche Altersvorsorge) während des Sabbaticals umzugehen?
    • Bleibt der Anspruch auf bezahlten Urlaub während des Sabbaticals erhalten oder ist dieser abgegolten?
    • Werden Krankheitszeiten während des Sabbaticals angerechnet?
    • Wie ist mit einer Kündigung während der Freistellung umzugehen?

    Diese Aspekte müssten im Rahmen einer Gesamtbetriebsvereinbarung, Betriebsvereinbarung und ggf. einzelvertraglich geklärt werden.

    Führungs- und teambezogene Grenzen
    • Abwesenheiten im Team müssen in die Planung einfließen, um innerhalb der Forschungseinrichtung, des Teams oder der Abteilung Projekte zu organisieren und den Erfolg zu gewährleisten. Dabei ist zu berücksichtigen, dass die zum Ausgleich benötigten Kolleg:innen nicht übermäßig beansprucht werden.
    • Dokumentation der Aufgaben und Übergabe an Kolleg:innen
    • Während eines Sabbaticals kann es zu Konflikten bei der Vertretung und der Zusammenarbeit im Team kommen.
    • Umgang mit Sonderkonstellationen und besonderen persönlichen Umständen
    • Das Gerechtigkeitsempfinden im Team ist zu adressieren.
    • Gestaltung des Wiedereinstiegs (Reboarding)
    Kulturelle Grenzen

    Die Erreichbarkeit und Teilnahme an betrieblichen Veranstaltungen während des Sabbaticals ist möglicherweise vorab zu klären.

    Steuerrechtliche Grenzen
    • Steuerliche Behandlung von Einkünften im Ausland: Wenn das Sabbatical im Ausland verbracht wird, kann dies zu steuerlichen Implikationen führen.
    • Steuerliche Absetzbarkeit: Einige Kosten im Zusammenhang mit einem Sabbatical können steuerlich absetzbar sein. Zum Beispiel können Kosten für eine berufliche Weiterbildung oder eine Weltreise als Werbungskosten abgesetzt werden.
    Sozialversicherungsrechtliche Grenzen

    Ähnlich wie bei Langzeitarbeitskonten und Teilzeitmodellen zur Realisierung von Sabbaticals sollte auch bei unterjährigen Sabbaticals die Renten- und Sozialversicherung während des Sabbaticals bestehen bleiben.

    Tarifvertragliche Grenzen

    Für die Berechnung der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit ist nach § 6 Abs. 2 TVöD/TV-L ein Zeitraum von bis zu einem Jahr zugrunde zu legen. Damit soll die Option eröffnet werden, Arbeitszeit entsprechend dem jeweiligen Arbeitsanfall flexibel zu verteilen. Über den Zeitraum von einem Jahr muss der Umfang des Arbeitszeitvolumens (bei Vollzeitbeschäftigung z. B. von 39 Stunden im TVöD) eingehalten werden.

    Gesundheitliche Grenzen

    Die Arbeitsintensität in der Ansparphase kann sehr hoch und damit gesundheitlich belastend sein.

    Sonstige Hürden/Grenzen

    Möglicherweise sind auch zuwendungsrechtliche Aspekte zu beachten, die solche innovativen Arbeitszeitmodelle verhindern (z. B. „Besserstellungsverbot“)

    Zu welchen anderen Erprobungsfeldern besteht ein enger Bezug?

    Aufgrund des starken inneren Zusammenhangs mit den übrigen Arbeitszeitthemen spricht vieles dafür, unterjährige Sabbaticals zusammen mit den Erprobungsfeldern „Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit“, „Flexibilisierung der Ruhezeit“ und „Vertrauensarbeitszeit mit Zeiterfassung“ zu testen:

    1. Erprobungsfeld: Ausdehnung der täglichen Arbeitszeit
    2. Erprobungsfeld: Flexibilisierung Ruhezeit und Ruhepausen
    3. Erprobungsfeld: Vertrauensarbeitszeit mit Zeiterfassung
    Zuordnung im Experimentierraum

    Quick Start — Zeitsouveränität und -flexibilität (ZuF)

    Was müssen Forschungseinrichtungen noch berücksichtigen?

    Unterjährige Sabbaticals können dazu dienen, potenzielle Mehrarbeitsphasen auszugleichen, die Gesundheit der Beschäftigten durch längere Regenerationsphasen zu stärken, und ihnen die Möglichkeit geben, Arbeit und Freizeit besser zu vereinbaren. Interessant ist dabei die Frage, wie Ansparmodelle organisatorisch und finanziell umgesetzt werden können. Das betrifft insbesondere auch die Evaluierung der gesundheitlichen Auswirkungen. Denn unklar ist noch, welche Arbeitsintensitäten empfohlen werden können. Zudem werden interessierte Forschungseinrichtungen wissen wollen, welche positiven Effekte sich durch die Sabbaticals ergeben – und wie stark diese Effekte ausfallen. Darunter fallen möglicherweise Auswirkungen auf die Gesundheit, die Kreativleistungen und die Motivation. Um längere Abwesenheiten in der Forschungseinrichtung, dem Team oder der Abteilung funktionsfähig zu organisieren, ist eine fortlaufende Projektbearbeitung und Ressourcenplanung zu planen und in der Erprobungsphase zu beobachten. Diese Erfahrungen helfen dabei, innovative und moderne Arbeitsstrukturen zu ermöglichen.

    Weiterführende Informationen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz finden Sie auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter dem Thema „Arbeitsgestaltung“: www.baua.de

    Vollständigen Ergebnisbericht herunterladen

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