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    Glossar

    Flexibilisierung Ruhepausen + Ruhezeiten

    • Illustration

      Vincent Brod

    Kann es gelingen, das starre System gesetzlich geregelter Ruhepausen und Ruhezeiten aufzubrechen, ohne die Gesundheit der Mitarbeitenden zu gefährden? Im Rahmen diese Erprobungsfeldes sollen die Chancen und Herausforderungen dieser Flexibilisierung untersucht werden.

    Arbeitsabläufe in der modernen Wissenschaft sind nicht statisch, sondern dynamisch und international vernetzt, und die Arbeitsintensität schwankt, beispielsweise kurz vor einem Projektabschluss. Wenn dann auch noch private und familiäre Verpflichtungen wie die Betreuung von Kindern oder die Pflege von Angehörigen dazukommen, lassen sich Familie und Beruf oft nicht mehr miteinander vereinbaren. In dieser Situation könnte eine Flexibilisierung von Ruhepausen und Ruhezeiten hilfreich sein – sofern sich die Mitarbeitenden selbst dafür entscheiden.

    Erkenntnisinteressen

    • Mögliche langfristige gesundheitliche Belastungen / messbare Entgrenzungseffekte

    • Realisierungschance individuell vorgenommener, (zeitnaher) Ausgleiche an anderen Tagen

    • Erfordernis von Sensibilisierungsmaßnahmen für Mitarbeitende wie Führungskräfte zur Vermeidung von gesundheitlichen Einschränkungen

    Zuordnung im Experimentierraum

    New Horizons — Zeitsouveränität und -flexibilität (ZuF)

    Welche Grenzen sind bisher bekannt?

    Arbeitsrechtliche Grenzen

    Bislang setzt das Arbeitszeitgesetz enge Grenzen.

    Ruhepausen: Gemäß § 4 ArbZG muss die Arbeit durch im Voraus feststehende Ruhepausen von mind. 30 Minuten bei einer Arbeitszeit von 6 bis 9 Stunden und 45 Minuten bei einer Arbeitszeit über 9 Stunden unterbrochen werden. Für Jugendliche unter 18 Jahren gilt nach § 11 JArbSchG eine gesonderte Regelung. Die Pause darf nicht am Anfang oder am Ende der Arbeitszeit liegen und muss mindestens 15 Minuten dauern. Die Beschäftigten müssen frei darüber entscheiden können, wo und wie sie diese Zeit verbringen wollen.

    Von § 4 ArbZG kann z. B. in folgenden „außergewöhnlichen Fällen“ abgewichen werden:

    • vorübergehende Arbeiten in Notfällen und in außergewöhnlichen Fällen, § 14 Abs. 1 ArbZG;
    • in Forschung und Lehre, bei unaufschiebbaren Vor- und Abschlussarbeiten sowie bei unaufschiebbaren Arbeiten zur Behandlung, Betreuung und Pflege von Personen bzw. zur Behandlung und Pflege von Tieren an einzelnen Tagen (§ 14 Abs. 2 Nr. 2 ArbZG).

    Bei Anwendung von § 14 darf die Arbeitszeit 48 Stunden wöchentlich im Durchschnitt von 6 Kalendermonaten oder 24 Wochen nicht überschreiten.

    Ruhezeit: Gemäß § 5 ArbZG müssen Beschäftigte nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit eine ununterbrochene Ruhezeit von mindestens 11 Stunden haben. Eine Ausnahme macht § 5, Abs. 2 u. a. bei Einrichtungen zur Behandlung, Pflege und Betreuung von Personen, der Landwirtschaft oder Tierhaltung. Hier kann die Dauer der Ruhezeit von 11 Stunden um bis zu 1 Stunde verkürzt werden, wenn jede Verkürzung der Ruhezeit innerhalb eines Kalendermonats oder innerhalb von vier Wochen durch Verlängerung einer anderen Ruhezeit auf mindestens 12 Stunden ausgeglichen wird.

    Gemäß § 7 Abs. 1 ArbZG können die Tarifvertragsparteien die Ruhezeit um bis zu zwei Stunden verkürzen, wenn die Art der Arbeit dies erfordert und die Kürzung innerhalb eines festzulegenden Zeitraums ausgeglichen wird.

    Vor einer darüber hinausgehenden Flexibilisierung von Ruhezeiten und Ruhepausen müsste daher das Arbeitszeitgesetz reformiert werden.

    Technische Grenzen

    Die Umsetzung in anders programmierten Zeiterfassungssystemen (mit automatischer Kappung, Voreinstellungen, o. ä.) stellt Forschungseinrichtungen vor technische Herausforderungen. Auch Apps, die im Wesentlichen durch den Mitarbeitenden selbst genutzt werden und einsehbar sind, können bislang eine technische Hürde darstellen.

    Prozessuale Grenzen

    Führungskräfte und Wissenschaftler*innen in den Forschungseinrichtungen setzen sich der Gefahr von Rechtsverstößen aus, wenn gesetzliche Regeln zu Ruhezeiten und -pausen nicht eingehalten werden.

    Führungs- und teambezogene Grenzen
    • Bedenken der Führungskräfte in Bezug auf persönliche Verantwortung und Fürsorgepflicht
    • Gegenseitige Negativspirale im Team: Das Verhalten einzelner Personen kann implizit Druck aufbauen und so andere zur Nachahmung verleiten.
    Kulturelle Grenzen
    • Gewöhnung an „doppelte Buchführung“
    • Angst vor Sanktionen oder persönlicher Verantwortung
    Arbeitsrechtliche Grenzen
    • Auf internationaler Ebene muss dieser Konflikt noch geprüft werden.
    Gesundheitliche Grenzen

    Es gibt Hinweise, dass bereits nach 12-Stunden-Schichten die mögliche Erholung von 12 Stunden nicht ausreicht, sodass die Ermüdung mit in den nächsten Tag genommen wird. Gesundheitliche Belastungsgrenzen sollten daher genau beobachtet und evaluiert werden.

    Workarounds: Wie könnten Veränderungen potenziell aussehen?

    • Ruhezeiten könnten verkürzt werden.
    • Nicht jede Unterbrechung der Ruhezeit müsste diese wieder neu beginnen lassen.
    • Die Ruhezeit könnte pro Tag berechnet werden und so auch andere Pausen berücksichtigen.
      • Beispiel: Arbeit von 8 bis 13 Uhr und dann erst wieder von 17 bis 20 Uhr, sodass die betroffene Person eigentlich erst wieder ab 7 Uhr am darauffolgenden Tag arbeiten dürfte.
    • Pflichtpausen könnten entfallen.
    • Beim Überschreiten von Höchstarbeitszeiten an einem Tag sind erst am nächsten Tag zwingend die Ruhezeit oder ggf. längere Ruhezeiten einzuhalten, um gesundheitliche Risiken zu vermeiden.

    Zu welchen anderen Erprobungsfeldern besteht ein enger Bezug?

    1. Erprobungsfeld: Vertrauensarbeitszeit mit Zeiterfassung
    2. Erprobungsfeld: Ausdehnung täglicher Arbeitszeit

    Was müssen Forschungseinrichtungen noch berücksichtigen?

    Um gesundheitlichen Schaden von Wissenschaftler*innen abzuwenden, sollten während der Erprobung flexibler Ruhepausen und -zeiten die gesundheitlichen Belastungen gemessen und evaluiert werden. Außerdem soll untersucht werden, ob die Mitarbeitenden die Überlastungen auch zeitnah ausgleichen. Insbesondere ist von Interesse, warum derartige Erholungsphasen nicht realisiert werden können. Schließlich sollen auch Sensibilisierungsmaßnahmen für Mitarbeitende und Führungskräfte entwickelt werden, die dazu dienen, gesundheitliche Einschränkungen zu vermeiden.

    Die Erprobung flexibler Ruhepausen und Ruhezeiten bietet große Chancen. Moderne und dynamisch strukturierte Arbeitsabläufe können im starren Korsett gut gemeinter Regeln nicht funktionieren. Eine Flexibilisierung kann dazu beitragen, Familie und Beruf, internationale Kooperationen und volatile Phasen der Arbeitsintensität besser zu vereinbaren. Gleichwohl müssen gesundheitliche Bedenken angemessen berücksichtigt werden. Führungskräfte und Mitarbeitende stehen in der Verantwortung, für ausreichend regenerative Phasen zu sorgen, damit der private und berufliche Alltag erfolgreich und gesund strukturiert werden kann.

    Weiterführende Informationen zum Gesundheits- und Arbeitsschutz finden Sie auf den Seiten der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin unter dem Thema „Arbeitsgestaltung“: www.baua.de

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